Das BRD-Olympiateam von 1972, mit Toni Rimrod, stehend, 3. von rechts. Foto: vm-Archiv

24Aug2012

Damals vor 40 Jahren: Olympia in München

Am 26. August 1972 wurden in München die Olympischen Sommerspiele eröffnet. Es war der Start für ein buntes Spektakel, wahrgenommen in aller Welt. Aber es waren auch Tage, die von einem schrecklichen Drama überschattet wurden, als am 5. September israelische Sportler nach einer Geiselnahme ermordet wurden.

Toni Rimrod war als Spieler des BRD-Teams in München, das Platz elf belegte. Die DDR-Männer, Weltmeister von 1970, holten sich die Silbermedaille nach einem 1:3 im Finale gegen Japan. Rimrod brachte es auf 148 Länderspiele und lebt in Paderborn, wo er auch die Glanzzeiten des VBC Paderborn mitgestaltet hat. Mit inzwischen 64 Jahren hat Rimrod (Volleyballer des Jahres 1979) seine Apotheke an seinen Sohn Frederik übergeben, der ebenfalls Volleyballer ist und den Vorsitz des Traditionsvereins übernommen hat.

Im Gespräch mit vm-Chefredakteur Klaus Wegener kramt Rimrod in seinen Erinnerungen an die Spiele.

Das Attentat
Wir sind morgens zum Spiel gegen den späteren Olympiasieger Japan gegangen und mussten durch eine Tiefgarage, in der ganz viel grüne Minnas standen. Irgendjemand sagte, Außenminister Genscher sei zu Besuch. Wir sind dann über einen Zaun geklettert, um in die Halle zu gelangen. Da haben wir uns unsere 0:3-Klatsche abgeholt und alles war normal. Uns hat ja keiner informiert. Erst am nächsten Tag haben wir alles aus der Zeitung erfahren.

Sportliche Leistung
Eigentlich sind wir unter Wert geblieben. Gegen Kuba und Brasilien hatten wir bei 2:2-Satzstand die Chance auf einen Sieg, haben es aber nicht geschafft. Es ist ja bekannt, dass wir Spieler ein schlechtes Verhältnis zum Trainer (Anm.: Manfred Kindermann) und den Offiziellen hatten. Zu morgendlichen Teambesprechungen sind wir im Schlafanzug und mit Bettzeug erschienen, um es uns bequem zu machen. Es war leider wie Dienst nach Vorschrift. Vielleicht hätten wir Achter werden können.

Für deutsche Verhältnisse haben wir viel trainiert und hatten gute Sprungwerte. Nicht so gut, wie die Kubaner, aber die waren dafür etwas einfältig, weil sie immer nur draufgeprügelt haben. Die schlugen locker über uns drüber, aber dafür seltener ins Feld.

Uns fehlte die Erfahrung. Wir waren reine Amateure und haben Volleyball neben dem Studium gespielt. Von meinen fast 150 Länderspielen habe ich mehr als hundert verloren, weil wir immer gegen zu starke Teams aus dem Ostblock gespielt haben. Wir kannten es gar nicht, auch mal zu gewinnen. Um die psychologische Schiene hat sich damals keiner Gedanken gemacht.

Sportliche Bedeutung
Viele Spiele wurden im Fernsehen übertragen. Erstmals nahm die Öffentlichkeit Notiz von Volleyball. Es gab tolle Partien, wie das Endspiel der Männer, das Japan schon fast verloren hatte. Volleyball galt bis dahin als Universitätssport, nach den Spielen änderte sich das. In Paderborn werde ich noch oft angesprochen, aber ich sage dann auch: „Leute, wir waren Gastgeber, deshalb sind die Spiele so toll gewesen, nicht wegen unserer volleyballerischen Leistung.”

Partytime im Hofbräuhaus
Am Tag nach dem Endspiel erlebten wir die Japaner im Hofbräuhaus. Die waren nach ihrem Olympia-Gold sicher nicht mehr ganz nüchtern. Trotzdem schaffte es die ganze Mannschaft, per Handstand die Treppen hoch zu laufen bis zum 1. Stock. Da sah man die Unterschiede zu uns in der athletischen Ausbildung sehr deutlich…

Bettzeiten
Wir bekamen immer Freitickets zu anderen Spielen und so durften wir auch zum Endspiel der Frauen zwischen Japan und der UdSSR. Ich saß fast unter dem Netz und hatte eine tolle Fotografenposition, um Traumbilder zu machen. Nur war leider meine Kamera zu schlecht. Als es 2:1 für die Russinnen stand kam unser Teamleiter Hermann Pfletschinger und ordnete an, dass wir jetzt alle ins Bett müssen, weil es schon nach zehn Uhr war. Am nächsten Tag mussten wir gegen Tunesien um Platz elf spielen, das hätten wir auch mit der zweiten Sechs locker geschafft. Ich habe nur gesagt: „Ihr könnt mich mal kreuzweise.” Natürlich sind auch ein paar andere geblieben, denn so ein einmaliges Erlebnis wollte keiner verpassen. Bernhard Endrich und ich wurden gesperrt, Klaus Buschle hatte sich nach dem Attentat bereits verabschiedet, weil er das nicht ausgehalten hat. So standen schließlich nur noch neun Namen auf der Anzeigetafel beim Tunesienspiel. Aber wir haben dennoch 3:1 gewonnen. 

Feierlichkeiten
Bei der Eröffnungsfeier standen wir im Dunkeln, weil vor uns die Basketballer einmarschierten und wir nur an deren Seiten vorbeischauen konnten. Als die Tausenden von Friedenstauben losflogen, haben wir sicherheitshalber unsere hellblauen Anzugjacken ausgezogen, damit die nicht zugemistet wurden.

BRD und DDR
Wir hatten so gut wie keinen Kontakt, aber das war auch bei anderen Turnieren so. Die DDR-Jungs hatten klare Order, sich von uns fern zu halten. Erst bei einem großen Turnier 1978 haben wir uns mit ein paar DDR-Spielern in einer Sauna getroffen, wo offener gesprochen wurde. Die konnten gar nicht glauben, dass wir alle reine Amateursportler waren.

Freundschaften
1971 hatten wir bei einem Turnier in Sofia die kubanischen Volleyballerinnen getroffen und uns mit ihnen angefreundet. Denen haben wir lieber zugeschaut, als den Deutschen, die nicht so ansehnlich durch die Halle geflogen sind. Die Kontakte waren aber harmlos, da waren immer Trainer in der Nähe. In München haben die Kubanerinnen dann erwartet, dass wir uns um sie kümmern. Aber es war gar keine Gelegenheit da, weil sich so viele neue Kontakte ergeben haben. Letztlich waren sie so sauer, dass sie Protest bei der Olympia-Delegationsleitung eingelegt haben, wir seien unhöflich ihnen gegenüber.

Freizeitgestaltung
Vor den Spielen hatten wir acht Tage Heimaturlaub, aber die habe ich damals  schon im Olympischen Dorf verbracht. Die Kantine hatte bereits geöffnet, wir konnten schwimmen gehen und uns überhaupt frei bewegen. Im Dorf gab es viele Angebote, Disco, Kino, Carrerabahnen. Mit Hans-Georg von der Ohe habe ich Rennen ausgefahren gegen den Russen Valeri Borsow, späterer Doppel-Olympiasieger über 100 und 200 Meter. In der Stadt war das Meadows unsere Stammkneipe, wo wir eines Abends mit Basketballern versucht haben, aus unseren Olympia-Strohhüten Bier zu trinken. Hat aber nicht so gut geklappt…

Von:  weg

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