Seit vier Jahren spielt Ines Bathen beim USC Münster und ist mit den DVV-Juniorinnen 2009 Weltmeister geworden. Foto: FIVB

29Apr2011

Ines Bathen (USC Münster): „Was andere mit Größe erreichen, löse ich über den Kopf”

Statistisch gesehen ist Ines Bathen auf der völlig falschen Position gelandet. Bei keinem anderen Team, weder in der Deutschen Volleyball-Liga noch wohl auf internationaler Ebene, würden Trainer und Manager auf die Idee kommen, sie als Außenangreiferin aufzustellen. Ines Bathen ist nämlich zu klein, genau genommen sogar viel zu klein. Auf 1,71 Meter Körpergröße bringt sie es nur. Damit liegt sie um elf Zentimeter unter dem Durchschnittswert von Außenangreiferinnen in der Bundesliga, die es in der Saison 2010/11 auf 1,82 Meter bringen. Und doch ist sie eine große Nummer der Liga und wurde jüngst als „Star des Monats” im Rahmen der DVL-Imagekampagne „Echte Menschen. Echte Stars” vorgestellt.

Ines Bathen spielt seit 2007 beim USC Münster in der höchsten deutschen Spielklasse. Münster liegt Ende April auf Rang acht, hat nach neun Siegen in Serie Matchball beim 2:3 in Dresden gehabt und am Ostermontag gegen Schwerin gewonnen. Für den Unabhängigen Sportclub ist das eine gute Bilanz nach einem Zwischentief. Große Anteile daran hat Ines Bathen, 21 Jahre jung, die schon vier Mal zur wertvollsten Spielerin des USC gewählt worden ist.

Eine Bildergalerie ist zu finden unter:
http://www.volleyball-bundesliga.de/echtestarsbathen

Für Ines Bathen ist es eine aufregende Zeit. Als sie vor gut vier Jahren aus dem Sauerland vom Ruderclub Sorpesee in die rund 100 Kilometer nördlich gelegene Westfalenstadt gezogen ist, hatte sie überhaupt nicht auf dem Plan, mal im Oberhaus spielen zu dürfen. „Mein Ziel war ein Platz in der Zweitligamannschaft des USC, um mich parallel auf Beachvolleyball zu konzentrieren”, sagt sie. Denn da hatte sie durchaus Perspektiven. In der Halle lautete regelmäßig das Urteil der Auswahltrainer: „Klasse, aber zu klein.”

Trotzdem zog sie nach Münster und war eine der ersten, die im Teilzeitinternat Schule und Leistungssport miteinander verbunden haben. Über die Eltern ist sie zum Volleyball gekommen. Papa Franz-Josef, in Personalunion auch Vorsitzender des Volleyballkreises Hochsauerland, war ihr erster Trainer. Ines Bathen hatte da schon einiges ausprobiert wie Tanzen, Tennis und Leichtathletik. „Werfen und Weitsprung waren meine Disziplinen.” Doch schnell setzte sich die Liebe zum Volleyball durch und der Wunsch, es im Internat zu versuchen.

Einem glücklichen Umstand, wie sie es nennt, verdankte sie es, in der Saison 2007/2008 in der 1. Liga einen Einsatz zu bekommen. Der USC war auswärts in Hamburg gefordert, Außenangreiferin Anika Brinkmann war verletzt und im Spiel klappte es mit den übrigen Einwechselspielerinnen nicht so gut. „Da hat mich Axel Büring aufs Feld geschickt, nach dem ich im Training wohl einen guten Eindruck gemacht habe.” Münster gewann das Spiel und fortan wuchs die Zahl der Einsätze der viel zu kleinen Angreiferin auf der Position vier. Inzwischen ist sie Stammspielerin und es führt an ihr kein Weg vorbei. „Ehrlich gesagt, hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass es mal so weit kommt”, sagt sie.

Vor allem nicht, dass sie sogar international Erfolge einheimsen konnte. 2008 erhielt sie eine Einladung zur Juniorinnen-Nationalmannschaft, obwohl auch die Bundestrainer wie Jens Tietböhl oder später Han Abbing sie ob ihrer bescheidenen Größe fast aussortiert hatten. Im gleichen Jahr nahm sie an der Europameisterschaft in Italien teil, bei der Platz fünf heraussprang. 2009 zählte sie dann zum Kader, der bei der WM in Mexiko den Titel und damit für den deutschen Volleyball einen der größten Erfolge seiner Geschichte errungen hat. Ines Bathen weiß aber ihren Anteil realistisch einzuschätzen: „Ich bin ja nur ab und zu eingesetzt worden, meistens für den Aufschlag. Aber es waren zwei großartige Erlebnisse, die mir keiner nimmt.”

An einen Einsatz bei der Frauen-Nationalmannschaft denkt sie dagegen überhaupt nicht: „Mir ist früh signalisiert worden, dass das nichts wird.” Auf Dauer ist es frustrierend, aber wenn sie daran denkt, „tröste ich mich mit dem Gedanken, dass mir auch keiner die 1. Liga zugetraut hat.” Daraus schöpft sie Kraft.

Vielleicht hätte sie als Libero mehr Chancen auf eine internationale Karriere. Vor ein paar Jahren hat der Weltverband FIVB diese Rolle gerade für kleingewachsene Volleyballer ins Regelwerk aufgenommen, um ihnen eine Perspektive zu bieten. Jürgen Schulz, Sportlicher Leiter des USC Münster, will Ines Bathen keineswegs auf der Außenposition missen und hat ihr trotzdem wiederholt geraten: „Mädel, Libero ist eigentlich dein Ding.” Doch warum soll sie das Rollenfach wechseln, wenn es doch so gut läuft. „Vielleicht hat er Recht. Aber es ist schwer vorstellbar, auf Dauer keine Punkte machen zu können.” Das geht nur als Angreiferin und nicht als Chefin der Annahme und Abwehr.

Es gab auch Versuche, sie als Zuspielerin einzusetzen, doch das ist gleichfalls nicht ihr Lieblingselement. Es muss krachen, es müssen Punkte fallen und wenn der Block am 2,24 Meter hohen Netz noch so gewaltig ist, sie nimmt es als Herausforderung: „Was andere über ihre Abschlaghöhe erreichen und einfach über den Block hinweg schlagen, das muss ich über den Kopf lösen.” Sie muss die Mauer auf der anderen Netzseite anschlagen, sie mit einem Lob überwinden oder die Lücke suchen. Dass sie auch im Training ständig diesem ungleichen Duell ausgesetzt ist, wenn sie auf eine Andrea Berg, eine Lea Hildebrandt oder Gwendoline Horemans trifft, ist das ideale Übungsterrain für sie: „Ich kenne es ja nicht anders, auch in der Jugend waren die anderen immer größer.” Jedenfalls gemessen an den Zentimetern.

Paradebeispiele auf internationalem Sektor mit ähnlichen Voraussetzungen gibt es genug. Mireya Luis, dreimalige Olympiasiegerin mit Kuba, ist nur 1,76 Meter groß, kam aber auf eine Abschlaghöhe von 3,38 Metern. Ines Bathen bringt es vielleicht auf 2,90 Meter, schätzt sie selbst. Von dem Sprungwunder von der Karibikinsel hat sie nicht gehört, dafür hat sie eine Angelina Grün spielen sehen. „Grüni ist auch nicht die Längste, aber für mich ist sie ein Vorbild wegen ihrer kämpferischen Eigenschaften und ihres Charakters.” Grün hat 272 Länderspiele für Deutschland bestritten und bei vielen Klubs, national wie international, Titel gesammelt. 

So weit wird es Ines Bathen wahrscheinlich nie bringen. Die wäre schon zufrieden, wenn sie mal im Europapokal spielen dürfte oder im DVV-Pokalfinale im GERRY WEBER STADION im ostwestfälischen Halle: „Davon träume ich.” Ihr Vertrag in Münster läuft noch über zwei Spielzeiten, in der Universitätsstadt hat sie vor kurzem ein Biologie- und Sportstudium auf Lehramt angefangen. Die Stadt gefällt ihr. „Sie bietet Studenten viele Möglichkeiten und sportlich läuft es ja auch.” Jürgen Schulz wundert sich manches Mal: „Ines ist eine, die immer Vollgas gibt, im Training, im Spiel und anscheinend auch im Studium.” Sie liefert die Erklärung: „Ich bin sehr ehrgeizig und will immer das Beste erreichen.” Manchmal denkt sie daran, wie es Gleichaltrigen geht, die sich auf ein Ding konzentrieren können. Aber dann fällt ihr ein, „dass das nicht mein Ding wäre, denn ohne Volleyball kann ich mir mein Leben nicht vorstellen.”

Steckbrief Ines Bathen (USC Münster):
Geburtsdatum: 27.08.90
Geburtsort: Meschede
Größe: 1,71 Meter
Beruf: Studentin Biologie und Sport auf Lehramt
Position: Außenangriff
Bisherige Vereine: TuS Nuttlar, RC Sorpesee
Sportliche Erfolge:
U 20-Weltmeisterin 2009
Platz fünf bei der U 20-Europameisterschaft 2008

Von:  DVL

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