Schwere Zeiten für Jean-Pierre Staelens und sein Team aus Hamburg

15Nov2012

Jean-Pierre Staelens: "Das ist Murphys Law"

Den deutschen Teams war am dritten Vorrundenspieltag der Champions League kein Sieg vergönnt. Der Dresdner SC unterlag Eczacibasi Vitra Istanbul am Mittwochabend mit der neuen Libera Kayla Grace Banwarth 0:3 (24:26, 19:25, 14:25). Der Schweriner SC kehrte mit einer 1:3 (20:25, 22:25, 25:21, 16:25)-Niederlage aus dem italienischen Urbino zurück. Beide Klubs belegen weiterhin Rang drei in ihren Vorrundengruppen.

Die übrigen drei deutschen Mannschaften im Europapokal konnten dagegen Selbstvertrauen tanken. Allen voran die Roten Raben Vilsbiburg, die den großen Favoriten Baki-Azeryol Baku aus Aserbaidschan im Achtelfinal-Hinspiel des CEV-Cups überraschend mit 3:1 (25:15, 22:25, 25:23, 25:15) schlugen. Münster und Hamburg erwischten gegen deutlich schwächere Konkurrenz Traumstarts in den Challenge Cup. Der USC hatte beim 3:0 (25:17, 26:24, 25:12) gegen Hapoel Kfar Saba aus Israel nur im zweiten Satz Mühe. Hamburg gewann nach der schwarzen Serie zum Saisonauftakt auch das zweite Spiel in Serie. Gegen Wundertüte Sempeter aus Slowenien gewannen die Hamburgerinnen 3:0 (25:14, 25:14, 25:19).

Bereits am Wochenende empfängt VT Aurubis Tabellenführer Dresdner SC in der Liga zum Topspiel des Spieltags (ab 18.50 Uhr/DVL-live.tv). Vor der Begegnung erklärte Hamburgs Coach Jean-Pierre Staelens im Gespräch mit dem DVL-Presseservice, weshalb sein Team so desaströs mit fünf Niederlagen in Serie in die Saison gestartet ist.

Herr Staelens, am Wochenende haben Sie nach fünf Niederlagen zum ersten Mal in dieser Saison in der Liga gewonnen. Wie gut tat Ihnen und Ihren Spielerinnen dieser Sieg?
Einerseits weiß jeder, dass man gegen den VC Olympia gewinnen muss. Daher war das keine große Erleichterung. Andererseits ist es doch eine Bestätigung für uns. Auch wenn es „nur” gegen den VCO war, habe ich beispielsweise gesehen, dass das Umschalten von Abwehr auf Angriff schon besser lief. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber die Leistung ist noch lange nicht so, wie sie sein sollte.

Wie hat sich diese Situation aus Ihrer Sicht entwickelt?
Ich habe bereits vor der Saison gesagt, dass sich alle Mannschaften verbessert haben. Auch mein Team hat sich in der Breite verstärkt. Deswegen haben wir eine größere Chance, gegen die Top-Mannschaften zu gewinnen. Aber gegen die übrigen Mannschaften ist die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage gestiegen. Im vergangenen Jahr haben neun Mannschaften um acht Play-off-Plätze gekämpft, in dieser Saison kämpfen elf Mannschaften um die acht Ränge. Wir müssen jetzt unserer eigenen Linie folgen und dürfen uns wegen der verlorenen Spiele am Anfang nicht verrückt machen lassen. Die Saison ist noch immer recht jung, wir können noch viel aufholen.

Haben Sie konkrete Elemente ausgemacht, an denen das Spiel Ihrer Mannschaft krankt?
Es gibt keine Spielerin, die allein alle Fehler macht. In bestimmten Momenten spielen wir sehr gut und plötzlich macht jede Spielerin einen individuellen Fehler. Das ist kein Grund, jemanden auszuwechseln, aber das sind trotzdem sechs Punkte für den Gegner. Wenn das passiert, verliert man einen Satz. Dazu fehlt nach Abwehraktionen noch die Effizienz im Angriff. Auch in Sideout-Situationen gibt es Momente, in denen wir im Training viel besser agieren als im Spiel. Wenn wir das einmal im Griff haben, wird der Weg langsam in Richtung der Tabellenregionen gehen, wo wir hingehören.

Nach der Pokalniederlage gegen Köpenick war die Stimmung in der Mannschaft am Tiefpunkt. Sind Sie jetzt auch als Psychologe gefragt?
Wenn man viel trainiert, alles gibt und trotzdem verliert, kann man nicht lachen – das ist doch logisch. Das ist eine normale Reaktion. Frauen zeigen das durch Tränen etwas schneller als Männer – auch das muss man respektieren. Doch am nächsten Tag machen wir weiter, haben den Mut, unsere Fehler zu benennen, um das Training gezielt anzugehen. Unsere erste Hausaufgabe ist es, die eigene Fehlerquote zu senken. Daran arbeiten wir mit großem Mut.

Haben Sie Fehler in der Saisonvorbereitung gemacht?
Ich sage das nicht gern, weil es nach einer Ausrede klingt. Aber es ist Fakt, dass wir eine sehr schlechte Vorbereitung hatten. Noch nie in meiner Karriere hatte ich so viel Pech mit Krankheiten, Verletzungen und Abwesenheiten durch Nationalspielerinnen wie vor dieser Spielzeit. Eine Woche vor Beginn der Saison waren wir das erste Mal mit neun fitten Mädchen im Training. Davor waren teilweise nur drei oder vier Spielerinnen einsatzfähig. Bei Vorbereitungsturnieren im Ausland habe ich gezweifelt, ob wir nicht wieder abreisen sollen, weil plötzlich nur drei Spielerinnen voll einsatzfähig waren – so schlimm war es in einigen Momenten.

Am schwersten wiegt sicher der Ausfall von Zuspielerin Femke Stoltenberg.
Das größte Pech war, dass sie sich vor dem ersten Ligaspiel in Aachen bei einer Abwehrübung so blöd verletzte, dass ein kleiner Finger brach und sie nun für sechs Wochen nicht einsatzfähig ist. Unsere Diagonalangreiferin Vendula Merkova laboriert ebenfalls seit Mitte August an Verletzungen. Sie macht zwar viele Punkte, aber es ist nicht die „Vendy”, die ohne Schmerzen spielt. Sie trainiert nur 50 Prozent und spielt dann mit 80. Das spielt alles eine Rolle. Ich suche nicht nach Ausreden, aber die sind da, ich kann die Probleme nicht wegzaubern.

Manager Helmut von Soosten hat gesagt, dass man irgendetwas ändern müsse, um wieder zu gewinnen. Was haben Sie geändert?
Die einzige Wahrheit ist weiterzuarbeiten und die Dinge so lange zu wiederholen, bis sie im Spiel klappen. Man kann viele schöne Worte bemühen. Aber wenn die Ärzte sagen, dass Ciara Michels Verletzung sechs Wochen dauert, muss ich das akzeptieren. Mareike Hindriksen ist in dieser Zeit die einzige Zuspielerin – in Training und Wettkampf. Das ist ein extra Druck für sie, nichts darf schiefgehen – wir haben schließlich keine Zuspielerin mehr.

Wenn man das alles so hört, lässt sich die Negativserie Ihrer Mannschaft besser einschätzen. Finden Sie, dass Ihre Position in den Medien zu Unrecht infrage gestellt wird.
Ich bin persönlich verantwortlich für diese Mannschaft, und ich schirme sie auch nach außen ab. Wenn wir verlieren, gibt es immer zuerst sportliche Gründe und dann kommen alle anderen Dinge. Dennoch darf man die Situation nicht oberflächlich betrachten. Im Pokal beispielsweise haben die Schiedsrichter aus meiner Sicht in der Schlussphase des dritten Satzes drei Fehler hintereinander gemacht – alle gegen uns. Haben wir deswegen verloren? Natürlich nicht! Aber in diesem Moment bedeutet es für uns die Niederlage.

Klingt nach einer echten Pechsträhne.
Das ist Murphys Law - wenn etwas schief läuft, geht plötzlich alles gründlich schief.

Was bedeutet der Sieg gegen Sempeter im Challenge Cup für das Topspiel gegen Dresden?
it dem zweiten Sieg im Rücken können wir Dresden das Leben zumindest schwer machen. Davon zu träumen, dass wir den DSC schlagen, ist aus meiner Sicht unrealistisch.

Ergebnisse
Champions League
Robur Tiboni URBINO/ITA - SCHWERINER SC 3:1 (25:20, 25:22, 21:25, 25:16)
DRESDNER SC - Eczacibasi Vitra ISTANBUL/TUR 0:3 (24:26, 19:25, 14:25)

CEV Cup
Rote Raben VILSBIBURG - Baki-Azeryol Baku/AZE 3:1 (25:15, 22:25, 25:23, 25:15)

Challenge Cup
VT Aurubis Hamburg - Spodnja Savinjska Sempeter/SLO 3:0 (25:14, 25:14, 25:19)
USC Münster - Hapoel Kfar Saba/ISR 3:0 (25:17, 26:24, 25:12)

 

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