Das neuformierte Team der DVV-Männer. Foto: Thorsten Linke

06Jun2013

Vital Heynen startet den Neuaufbau seines Teams

Das Jahr 2012 stellte für die Männer-Nationalmannschaft eines der erfolgreichsten in der Geschichte überhaupt dar. Mit den fünften Plätzen bei der World League und den Olympischen Spielen endete aber auch ein Zyklus, ein Neuaufbau in diesem Jahr – weil auch zahlreiche etablierte Spieler eine Pause einlegen – schließt sich an. Im Interview sagt Bundestrainer Vital Heynen vor dem ersten World League-Auftritt in Italien (7. und 9. Juni), wie er diesen Anfang nutzen möchte, um eine neue Spielergeneration an die Nationalmannschaft heranzuführen. Zudem wagt er einen Blick auf die kommenden Aufgaben in der World League, die dieses Jahr auch in Bremen (22./23. Juni) und Frankfurt (5./6. Juli) gastiert.

Herr Heynen, die Uhr der Nationalmannschaft steht dieses Jahr wieder auf Null. Wie wollen Sie den Neubeginn vorantreiben?
Natürlich habe ich mich gefragt, wie man das erste Jahr nach Olympia gestaltet, denn für uns beginnt damit auch ein Zyklus, der Olympia 2016 endet. Daher war es für mich wichtig, auch von Anfang an jungen Leuten eine Chance zu geben und diese in das Team zu integrieren. Ich möchte ein Team entwickeln, welches auch unabhängig von den Stars funktioniert. Natürlich gibt es jetzt auch Spieler, die eine Führungsrolle übernehmen müssen, aber nach den ersten Wochen bin ich guter Dinge, dass die älteren Spieler sich dieser Rolle bewusst sind. Man sollte aber nicht vergessen, dass wir trotz allem auch in Zukunft Spiele mit 0:3 verlieren werden, was uns aber nicht von dem neuen Weg abbringen wird.

Welche Spieler können in die Rolle des neuen Leaders schlüpfen?
Markus Böhme gehört zum Beispiel zu diesen Spielern. Hat er früher eher zu den stillen Beobachtern im Nationalteam gezählt und nur selten etwas gesagt, gehört er jetzt zu denen, die vorangehen und versuchen, die jungen Typen schnell im Team zu integrieren. Ein weiterer wichtiger Faktor könnte auch Jochen Schöps werden. Ich bin mir sicher, dass er für uns sehr wertvoll werden kann. Sollten einige von unseren dienstälteren Spielern zurückkommen, wird es natürlich spannend zu sehen sein, wie sich eine neue Balance im Team entwickelt.

Für welche Spieler, die dieses Jahr vorerst nicht dabei sind, steht die Tür der Nationalmannschaft noch offen?
Dass wir jetzt eine neue Mannschaft aufbauen, ist doch völlig normal. Generell steht unsere Tür auch immer offen für die Spieler, die dieses Jahr nicht dabei sind. Trotz allem möchte ich aber auch noch einmal betonen, dass ich mich jetzt nicht festlegen werde, welche Spieler wieder in das Team zurückkehren können. Ich habe den Spielern, die jetzt an Bord sind, und diesen Neubeginn mitgehen und ein wichtiger Bestandteil für die Nationalmannschaft werden, versprochen, dass sie anschließend auch im Team bleiben. Mich dann jetzt schon festzulegen, wer am Ende von den Olympia-Teilnehmern wieder in die Mannschaft kommt, wäre den Neuen einfach nicht fair gegenüber.

Gegen Slowenien und Frankreich hatten Sie schon die ersten Möglichkeiten, Ihr neues Team zu beobachten. Wie fällt das Fazit aus?
Ich hätte nicht erwartet, dass wir nach so kurzer Zeit schon die ersten Partien gewinnen. Gegen Slowenien hatten wir zum Beispiel fünf Spieler an Bord, die ihr erstes Länderspiel gemacht haben und konnten am Ende trotzdem ein Spiel gewinnen. Dabei steckten die Slowenen schon mitten in der WM-Qualifikation und waren damit im Wettkampfmodus. Gegen Frankreich hatten wir zehn Spieler im Kader, die Olympia 2012 nicht dabei waren, und trotzdem konnten wir ebenfalls ein Spiel gewinnen und das erste knapp gestalten. Ich finde diese Entwicklung sehr positiv und bin zufrieden mit den ersten Ergebnissen.

Am Wochenende beginnt die World League mit den Spielen gegen Italien. Wie wichtig ist die World League für die deutsche Mannschaft?
Ich habe als Spieler über 200 Länderspiele für Belgien gemacht, aber vielleicht dreimal gegen Italien gespielt. In der World League spielst du immer gegen die weltbesten Nationen, der Wettbewerb ist unglaublich wichtig für uns und eine echte Herausforderung für meine Spieler.

Wie schätzen sie Ihre Vorrunden-Gegner ein?
Für uns beginnt die World League erst richtig in Bremen gegen Kuba. Wenn wir gegen Italien spielen, stecken wir noch mitten in der Vorbereitung und haben danach noch zwei Wochen bis zu den Kuba-Spielen. Italien wird ganz schwer. Ich rechne bei den Italienern mit vielen Spielern aus dem London-Kader, und ich glaube, die Italiener wollen in diesem Jahr die World League gewinnen, nachdem sie 2012 – trotz Olympia-Bronze – nicht ganz zufrieden waren. Wenn Wilfredo Leon nicht dabei ist, haben wir gegen Kuba eine echte Chance. Danach geht es nach Serbien, das ist für mich der kommende Olympiasieger 2016, weil sie Spielergenerationen haben, die im Nachwuchsbereich Welt- und Europameister wurden. Zudem spielen wir in Serbien, das wird nicht leicht. Russland ist der aktuelle Olympiasieger, und es ist eine Ehre für uns, die Mannschaft in Frankfurt am Main zu empfangen, auch wenn noch nicht ganz klar ist, mit welchen Spielern sie kommen. Es ist aber unglaublich, was für ein großes Reservoir an erstklassigen Spielern die Russen haben. Iran ist die große Unbekannte für uns. Ich weiß nur, dass uns da ein sehr enthusiastisches Publikum erwartet, spielerisch können wir dieses Team aber noch überhaupt nicht einschätzen.

Weitere Highlights sind die EM 2013 in Dänemark und Polen und die WM-Qualifikation im Januar 2014. Wie schätzen Sie Ihre Chancen bei diesen Aufgaben ein?
Wir wollen bei der Europameisterschaft natürlich besser abschneiden als 2011 mit Platz 15. Das wird vorrangig unser Ziel sein, das wir erreichen möchten. Natürlich wird es auch eine erste Standortbestimmung für uns sein, weil wir im Januar dann die WM-Qualifikationsspiele haben. Wir hoffen auch, dass wir diese Spiele in Deutschland bestreiten können und uns am Ende für die WM in Polen qualifizieren können, aber das ist im Moment noch Zukunftsmusik. Fakt ist, die WM-Qualifikation ist das wichtigste Turnier.

Sie haben in verschiedenen Interviews die Rolle der Mannschaftssportarten in Deutschland kritisch beäugt. Wie sehen Sie die Entwicklung der Sportart Volleyball in Deutschland?
Generell fehlt uns in Deutschland eine Spielergeneration, die bereit ist, das Risiko als Volleyball-Profi einzugehen. Natürlich ist dies verständlich, weil man in Deutschland schon aus schulischer Sicht eine ganz andere Möglichkeit hat, sein Leben zu führen. In den Top-Nationen Russland oder Polen, ist der Sport aber vielmehr die Chance, aus dem bisherigen Leben herauszutreten und ein besseres zu führen. Dadurch entwickelt sich automatische ein viel höheres Potenzial an Top-Spielern. Aus sportlicher Sicht wäre es toll, einmal auf ein Niveau wie beispielsweise in Polen zu kommen. Ich denke, da sprechen die tollen Spiele und vollen Hallen für sich. Natürlich muss man auch sagen, dass in Polen der König Fußball bei Weitem nicht so eine große Rolle spielt wie in Deutschland. Hier regiert der Fußball alles, was in meinen Augen den anderen Sportarten gegenüber nicht gerecht ist.

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