Jochen Schöps war in Teheran ein gefragter Gesprächspartner. Foto: Klaus Wegener

15Jul2013

Jochen Schöps: „Die härteren Phasen kommen noch”

Bei dem Gedanken, mit 29 der Älteste in der Nationalmannschaft zu sein, muss Jochen Schöps ein wenig schmunzeln. Der Diagonalangreifer ist schließlich im besten Volleyball-Alter. Bundestrainer Vital Heynen hat Schöps vor dem Sommer zum Kapitän ernannt, nun soll der beim polnischen Meister Asseco Resovia Rzeszow aktive Profi die nach den London-Spielen verjüngte deutsche Auswahl aus einer Umbruchphase in die Zukunft führen. Der Schnitt lag beim Kader, der die Weltligaspiele im Iran bestritt, bei 24,5 Jahren. Youngster ist der Hachinger Tom Strohbach mit 21 Lenzen.

Bei den Vorrundenspielen der Weltliga präsentierte sich das Team überraschend gut. Bis Freitagabend war sogar die Finalrundenteilnahme in Mar del Plata (Argentinien) möglich, wurde aber nach einem 0:3 in Teheran gegen den Iran verpasst. Durch das klare 3:0 am Samstag sicherten sich die Deutschen Platz drei. Im Interview mit vm-Chefredakteur Klaus Wegener, geführt in Teheran, spricht der in Schwenningen geborene Zwei-Meter-Mann über die neue Rolle und die Perspektiven der Volleyballer.

Herr Schöps, Sie sind erst Ende Mai zum Team gestoßen. War die verlängerte Pause notwendig?
Dringend, es hat lange gedauert, nach Saisonende die Gelenke zu schonen und den Kopf abzuschalten. Ich habe Urlaub in Amerika gemacht und wollte endlich mal nicht an Volleyball denken. Das war gut so. 

Erst Anfang Juni Woche vor den ersten Weltligaspielen in Italien sind Sie bei der Nationalmannschaft wieder eingestiegen. Schon wieder bei vollem Leistungsvermögen?
Manchmal ja, da sind das Training und die Spielleistungen ganz in Ordnung. Mal sind sie aber auch noch weit weg von meinem wahren Können.

Und dann müssen Sie gleich eine neue Rolle als Kapitän ausführen.
Das ist nicht schwer, außer den Spielberichtsbogen zu unterschreiben oder mit den Schiris reden, fällt da nicht viel an. Und im Team läuft alles problemlos. Es gab ja schon immer mehrere Führungspersönlichkeiten, die unterschiedliche Stärken haben.

Die Ergebnisse in der Weltliga sind überraschend gut.
Damit konnte keiner rechnen. Wir hatten die Finalrunde nie als Ziel, aber plötzlich war sie möglich. Die jungen Wilden trainieren und spielen schon ganz ordentlich. Sie machen Schritt für Schritt nach vorn, haben Spaß dran und spielen munter drauflos. Wir haben uns auch keinen Druck gemacht, da spielt es sich leichter. Die härteren Phasen kommen noch.

Wird sich dann was ändern?
Das glaube ich nicht. Es gab noch keine Streitigkeiten, niemand hat irgendwo angeeckt. Das wird kommen, das ist normal. Wenn es da ist, werden wir das intern klären und daraus gestärkt hervorgehen.

War der Umbruch nach Platz fünf in London notwendig?
Mit dem Ende eines Olympiazyklus ist das bei vielen Nationen angesagt. Ich finde es auch gut, jungen Spielern eine Chance zu geben. Die sollen zeigen, was sie draufhaben.

Erfahrene Kräfte wie Georg Grozer und Simon Tischer machen eine längere Pause und stoßen vielleicht erst zur EM im September zum Team. Wär das nicht auch Ihr Ding gewesen?
Nach der Weltliga kriege ich wieder ein paar freie Tage und das ständige Reisen von Hotel zu Hotel und Halle zu Halle hört mal auf. Das kenne ich seit über zehn Jahren. Deshalb kommt mir der Plan mit den zwei Pausen sehr entgegen. Da werde ich mal Zeit zuhause verbringen.

Ihre bisherigen Stationen waren Offenburg, Berlin, Friedrichshafen, Odintsovo in Russland und jetzt Polen. Haben Sie überhaupt ein Zuhause?
Eigentlich nicht richtig, mit meiner Freundin bin ich mal bei ihren Eltern in Friedrichshafen oder bei meinen in Villingen-Schwenningen zu Besuch. Aktuell fühlen wir uns sehr wohl in Polen.  

Dort haben Sie den Vertrag bereits verlängert?
Ich bleibe zwei weitere Jahre, es ist dort wirklich super. Der Verein macht alles möglich und der Meistertitel war ein wunderbarer Lohn. Als wir uns mit der Nationalmannschaft Mitte September für die EM qualifiziert hatten, musste ich zwei Tage später in Rzeszow antreten. Wir waren kurz vor Mitternacht da, aber alles war vorbereitet: Wohnung fertig, Auto stand vor der Tür, SIM-Karten und Internet funktionierten, Kühlschrank war gefüllt, selbst die Sporttasche für das erste Training am nächsten Morgen war gepackt.

Und das Leben außerhalb des Spielfeldes gefällt Ihnen auch?
Die Leute sind sehr liebenswert, es ist eine kleine Stadt mit rund 150.000 Einwohnern, darunter viele ausländische Studenten. Volleyball hat einen hohen Stellenwert, deshalb erkennt einen auch jeder.

Jetzt sind sie zum zweiten Mal nach 2003 im Iran, damals wurde Deutschland Achter bei der Junioren-WM. Hat sich hier im Land etwas geändert?
Im Volleyball auf jeden Fall, der Verband leistet tolle Arbeit und die Teams können in den nächsten Jahren weltweit richtig was reißen. Sport ist hier viel größer als in anderen Ländern. Die Regierungsgelder helfen sicher weiter …

… Privatbanken steigen hier immer mehr ein…
… was für Profis eine noch bessere Basis darstellt.

Können Sie sich vorstellen mal im Iran zu spielen?
Erst mal nicht, ich fühle mich in Polen so wohl, dass die Vertragsverlängerung eine kurze Angelegenheit war. In zwei Jahren bin ich natürlich wieder älter, wer weiß, auf welchem Niveau ich dann bin.

Hat sich die Nationalmannschaft im Vorfeld der Reise mit der politischen Situation des Landes beschäftigt?
Wir wussten nur, dass der ursprüngliche Termin am Wochenende der Präsidentschaftswahlen lag und es wegen möglicher Unruhen Probleme geben könnte. Darauf hätte sich meine Familie nicht so gefreut. Im übrigen ist es normal, dass wir in 99 Prozent aller Reisen von den Ländern und seinen Problemen nichts mitkriegen. Du bist nur im Hotel und in der Halle unterwegs. Das ist hier nicht anders.

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