Anschluss an die Weltklasse gesucht: Carina Aulenbrock stemmt sich bei der U 23-WM dem brasilianischen Block entgegen. Foto: FIVB

21Nov2013

DVV-Nachwuchs: Im freien Fall

EM-Silber für die Frauen, Platz sechs für die Männer in Europa. 2013 war ein gutes Jahr, wären da nicht die Sorgen um den Nachwuchs, der in der Weltrangliste bei den Junioren auf Rang 44 und bei den Juniorinnen auf 31 abstürzte. Die Zahlen sind alarmierend.

In der Dezember-Ausgabe des volleyball-magazins (Erscheinungstermin 21. November) wird Ursachenforschung betrieben, bei der die Bundestrainer zu Wort kommen. „Europa muss aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren”, sagt Bundestrainer Jens Tietböhl nach der U23-WM in Mexiko, bei dem sein Team Platz acht erreicht hat. Schlimmer noch: „Die Nichtqualifikation zur diesjährigen U18-WM und U20-WM tat weh und wird noch große Auswirkungen haben”, prognostiziert Tietböhl für den deutschen Bereich.

Bei der Hälfte der 18 Europa- und Weltmeisterschaften im Nachwuchsbereich seit 2005 glänzte der männliche DVV-Nachwuchs durch Abwesenheit, immerhin gab es eine Silbermedaille bei der U20-EM 2008. Sehr viel freundlicher ist die Bilanz bei den Mädchen, die nur fünf Mal fehlten und mit dem Jahrgang 1990/91 Gold bei der U18-EM (2008) und U20-WM (2009) in Mexiko gewannen. „Immerhin konnten wir die U23 zur WM schicken”, sagt DVV-Generalsekretär Jörg Ziegler, „was gezeigt hat, dass die Zusammenarbeit zwischen Liga und Verband funktioniert.”

Das klingt reichlich beschönigend und wird an anderer Stelle sehr viel kritischer gesehen, wie die weiteren Ausführungen in der Geschichte zeigen. Der deutsche Volleyball befindet sich im Nachwuchsbereich im freien Fall, Tietböhl schlägt Alarm: „Die Qualität der Spielerinnen ist nicht so hoch, wie es für das Anspruchsniveau nötig ist.” Es werde nicht explizit nach Talentkriterien wie Körpergröße, Koordination und physischen Eigenschaften gesucht, vielmehr „wird genommen, was kommt”.

Auch Michael Evers, als Vizepräsident des DVV für den Bereich Sport, findet deutliche Worte in einem Interview: „Scheinbar sind wir zu blind, die zu finden – und das bei einem Volk mit 80 Millionen Menschen.” Zu wenige Landesverbände würden sich mit Leistungssport identifizieren, zu vieles sei eingefahren, „weil die Landestrainer seit x Jahren immer das gleiche machen. Sie finden sich mit ihrer Situation ab und wissen genau, was zu tun ist, um den Job zu behalten. Wir haben ja schon unterschiedliche Auffassungen in der Trainingsphilo­sophie. Das ist doch schizophren.”

Evers wählt aber auch selbstkritische Worte, weil es noch nicht gelungen ist, einen die Stelle des Sportdirektors wieder zu besetzen: „Den Schuh ziehe ich mir an, aber ich brauche noch ein bisschen Zeit. Wir Volleyballer sind leider schwerfällig. Mit einem hauptamtlichen Sportdirektor wäre vieles einfacher zu lösen. Das hat oberste Priorität. Aber erst sind zwei Hürden zu überspringen: Zum einen gibt es nicht viele Kandidaten, außerdem muss der neue Mann bezahlbar sein. Es gibt keinen Guru, der überall wohlgelitten ist. Wir brauchen einen, der bereit ist, Schmerzen auszuhalten.”

Männer-Bundestrainer Vital Heynen will nicht auf den neuen Messias warten: „So viel Zeit habe ich nicht.” Der Belgier sucht nach schnell umsetzbaren Wegen. Nach dem Motto: „Lasst uns überlegen, was wir heute und nicht erst morgen machen können.” Und weiter: „Unser Ziel muss nicht sein, bei der nächsten Jugend-EM gut zu spielen.” Stattdessen gelte es, „unsere guten Spieler nicht zu vernachlässigen. Damit sie eines Tages reif für die Nationalmannschaft sind.”

Vor genau einem Jahr hatte das vm bereits beim Thema „Aktion Sorgenkind” mahnend über die Entwicklung im Nachwuchsbereich berichtet. Die Zahl ausländischer Spieler war in den 1. Ligen in den letzten fünf Jahren bei
den Männern und den Frauen um 21 Prozent gestiegen. Es stellten sich die Fragen: Ist der deutsche Nachwuchs zu schlecht? Gibt der Markt nicht mehr her? Nachzulesen in einer Zeitreise.

Von:  weg

volleyball magazin - inhalt und probelesen
Wir auf Facebook
VM Probeheft
philippka shop
Leistungsreserve Athletiktraining
DVD • funktionelles Athletiktraining