Alles gegeben, aber dennoch verloren: Denis Kaliberda und das deutsche Team haben noch eine letzte Chance auf Olympia

09Jan2016

Olympia-Quali Männer: Deutschland unterliegt Russland, hat aber noch eine Chance

Vital Heynen nahm Georg Grozer beiseite und redete auf ihn mit einer Intensität ein, die beinahe körperlich zu spüren war. Es hätte nur noch gefehlt, dass der Bundestrainer seinen Schlüsselspieler an den breiten Schultern gepackt und mit aller Kraft durchgerüttelt hätte. Grozer kämpfte einen einsamen Kampf, der dreimalige Volleyballer des Jahres tat alles, um endlich ins Spiel zu finden, aber es wollte nicht gelingen. Am Ende blieb nichts als Enttäuschung, „weil ich heute einen schwarzen Tag erwischt habe, und das tut weh“.

Deutschland verlor vor 6900 Zuschauern in der Berliner Max-Schmeling-Halle gegen Olympiasieger Russland mit 1:3 (33:31, 22:25, 19:25, 24:26). Das europäische Ausscheidungsturnier um ein Ticket für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro können Grozer und Co. nach dem Verlust des Halbfinals nicht mehr gewinnen, und doch bleibt der Nationalmannschaft noch eine Möglichkeiten, den Traum auf Umwegen wahrzumachen. Morgen (13.30 Uhr) muss das kleine Finale gegen Polen (0:3 im zweiten Halbfinale gegen Frankreich) unbedingt gewonnen werden, um als Dritter im Mai am letzten Qualifikationswettbewerb in Japan teilnehmen zu dürfen. Die Losung für die letzte Ausfahrt Richtung Copacabana formulierte Grozer so: „Alles oder nichts, eine andere Möglichkeit gibt es nicht.“

Die Deutschen kontrollierten zu Spielbeginn das Geschehen, obwohl Georg Grozer schon da große Schwierigkeiten hatte, seinen Rhythmus zu finden. Acht Fahrkarten bei zwölf Versuchen – die Quote von 25 Prozent im ersten Satz war weit unter dem, was Deutschlands bester Volleyballer normalerweise abliefert. Dazu kam, dass Grozer alle drei Aufschlagversuche misslangen. „Wenn ich so spiele wie heute, ist es schwer, gegen einen Gegner wie Russland zu gewinnen.“ Wobei Denis Kaliberda den Star des Teams für dessen Unpässlichkeit nicht verdammen wollte: „Wir müssen uns alle ankreiden, dass wir es nicht geschafft haben, das auszugleichen.“

Zunächst gelang es den Kollegen allerdings noch, den Ausfall zu kompensieren, im ersten Satz entwickelte sich ein offener und unheimlich intensiver Schlagabtausch, bei dem sich die Gastgeber am Ende hauchdünn behaupteten, weil sie jegliche Leidenschaft ins Spiel brachten, zu der sie fähig waren. Zwei russische Satzbälle wehrte das Team des belgischen Bundestrainers Vital Heynen ab, um seine siebte Entscheidungschance zum 33:31 zu verwandeln.

Russlands schwergewichtiger Trainer Vladimir Alekno verschränkte die Arme auf dem Rücken und bestrafte seine Spieler mit einem Blick, an dem zarte Gemüter zerbrechen könnten. Der zweite Durchgang verlief umgekehrt wie der erste: Russland ging in Führung, dieses Mal kämpften sich die Deutschen heran und zogen mit einer Serie von 8:1 Punkten davon. Doch das bessere Ende hatten dieses Mal die Russen, weil die Gastgeber nicht energisch nachsetzten und es versäumten, entscheidend davonzuziehen. „Dieses Spiel muss man nicht verlieren“, sagte Heynen, „und das ist enttäuschend.“

Die Begegnung begann also wieder von vorn, alles auf null. Auch im dritten Satz suchte Grozer seine Form. Beim Stande von 3:6 drosch er einen weiteren Sprungaufschlag ins Netz und schlug verzweifelt die Hände vor das Gesicht. Da nun auch die übrigen Spieler immer häufiger patzten, beherrschte der immer souveräner agierende Gegner das Spielgeschehen nun deutlich.

Die Frage lautete: Was muss geschehen, um einen Gegner von diesem Format aus der Balance zu bringen? Die Antwort fand Deutschland an diesem Nachmittag nicht. Der WM-Dritte von 2014 verlor am Ende zwar knapp aber dennoch verdient. Dass Grozer den zweiten Matchball in den russischen Block schlug, passte ins Bild eines gebrauchten Tages. Nun gilt es, die Kräfte zu sammeln und die letzte Chance zu nutzen. Wie das funktionieren könnte, weiß Diagonalangreifer Simon Hirsch: „Ab ins Eiswasser, Kopf auswischen und vollen Fokus auf das letzte Spiel.“ Dann wird der Druck auf der Mannschaft gewaltig sein, weil der Verlierer mit gänzlich leeren Händen dasteht: „Das morgen“, weiß Vital Heynen, „wird das viel größere Finale als das echte Finale.“

Von:  fex

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