Die Enttäuschung ist riesig: Lukas Kampa und die DVV-Männer haben die Olympia-Teilnahme verpasst. Foto: www.eventolive.it

10Jan2016

Olympia-Quali Männer: Bitteres Aus für Deutschland - Matchball vergeben

Auf der großen Video-Leinwand in der Max-Schmeling-Halle wurde kurz vor Spielbeginn Jochen Schöps zugeschaltet. Der Kapitän der deutschen Volleyballer hatte sich im Trikot neben seinem Fernsehgerät aufgebaut und schwor seine Kollegen auf das entscheidende Spiel gegen Polen ein. Schöps konnte seinem Team nicht helfen, er laboriert derzeit an einer Schulterverletzung, die ihn zum Zuschauen verurteilt. Zudem ist er in familiärer Mission gefordert, seine Freundin ist schwanger, das Paar erwartet Zwillinge.

Also mussten es die Kollegen richten, den Traum von der Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro zu verwirklichen. Alles Beten und Daumendrücken im heimischen Villingen-Schwenningen hat nicht geholfen, die deutsche Mannschaft verlor vor 7200 Besuchern trotz einer großartigen kämpferischen Leistung mit 2:3 (25:20, 22:25, 25:16, 26:28, 14:16) und vergab dabei im vierten Satz einen Matchball. Die Spiele in Brasilien werden also ohne die deutschen Volleyballer stattfinden. Ein Heimspiel war der Showdown für die Deutschen nicht unbedingt, schließlich standen mehrere tausend fanatische polnische Fans in Berlin wie ein Mann hinter ihrer Mannschaft und sorgten für eine tosende Kulisse.

Nach dem Matchball sank Christian Fromm auf die Knie und schlug fassungslos die Hände vors Gesicht, Libero Ferdinand Tille brach in Tränen aus: „Es ist ein schwerer Moment, wenn du alles gegeben hast und dann so knapp verlierst.” Fromm sprach von einer „besonders bitteren Niederlage, weil wir so gut gespielt haben und jetzt mit leeren Händen dastehen.“

Das gilt nicht nur für die Männer, sondern für die gesamte deutsche Volleyballfraktion in der Halle. Zuvor waren auch die Frauen gescheitert. „Unsere beiden Teams sind nicht dabei“, sagte Thomas Krohne, Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV), „im Moment fehlen mir die Worte.“

Nach dem Matchball erklärte Georg Grozer (31) seine Karriere in der Nationalmannschaft zumindest für die kommenden beiden Jahre für beendet. „So lange mache ich mindestens Pause, das habe ich meiner Frau versprochen.“ Es könnte eine größere Zäsur geben, auch langgediente Spieler wie Markus Böhme, Sebastian Schwarz, Christian Dünnes oder Jochen Schöps, die alle über 30 sind, werden darüber nachdenken, ob sie noch einen weiteren Olympiazyklus dranhängen. Auch die Zukunft von Bundestrainer Vital Heynen ist offen, „das ist heute nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen.“ Nach einer internen Absprache soll der Belgier die Mannschaft noch in der Weltliga betreuen, bei der EM-Qualifikation im September wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit bereits sein Nachfolger auf der Bank sitzen.

Die Zeichen stehen auf Abschied, weil der große Traum Olympia geplatzt ist. Dabei hatte das Drama in fünf Akten für Deutschland so gut begonnen. Schon nach wenigen Ballwechseln wurde klar, dass die Mannschaft ihre letzte Chance, am Gipfeltreffen an der Copacabana teilnehmen zu können, mit aller Entschlossenheit ergreifen wollten. Die Körpersprache war eine ganz andere als am Tag zuvor, als das Auftreten im Halbfinale gegen Olympiasieger Russland teilweise verzagt und verunsichert wirkte. Das Erlebnis war aus den Köpfen, Weltmeister Polen zeigte sich beeindruckt von der Wucht des Gegners.

Zudem konnten sich die Gastgeber auf ihren besten Angreifer verlassen. Georg Grozer hatte gegen Russland einen rabenschwarzen Tag erwischt, nun war der Ausnahmeathlet wieder auf der Höhe. Schon nach einem halben Satz war klar: „Hammerschorsch“ ist zurück. Auch im zweiten Durchgang sah es lange gut aus, doch ein Blackout am Ende kostete die vorentscheidende Führung: Grozer und Denis Kaliberda trümmerten den Ball je zwei Mal in Folge in den gegnerischen Block, Polen nutzte die Unpässlichkeit zum Ausgleich.

Die Deutschen schüttelten sich und schlugen zurück: Der dritte Satz war eine Demonstration der Stärke, Angriff, Block, Feldabwehr und Rhythmus – alles stimmte. Es war eine rauschhafte Vorstellung, die sich im vierten Durchgang in dieser Form kaum fortsetzen konnte. Die Polen bäumten sich auf, schließlich ging es auch für sie um die letzte Olympiachance. Das Spiel war nun unglaublich umkämpft, beim Stande von 24:23 hatte Deutschland Matchball, doch der Aufschlag von Philipp Collin landete im Netz. „Wir haben es in diesem Moment nicht gemacht“, sagte Fromm, „und dafür wurden wir bestraft.“

Polen zeigte sich einen Tick entschlossener, verwandelte seinen dritten Satzball, die Spannung stieg bis ultimo. Das Drama steigerte sich bis zum Schlussakkord, der mit den deutschen Spielern Protagonisten zurückließ, die ihre Verzweiflung verarbeiten mussten. „Ein Ball hat gefehlt“, sagte Heynen, der schon ziemlich genau weiß, was er im Sommer macht, wenn die Spiele in Rio steigen: „Da laufe ich in den Wald und verstecke mich.“  

Von:  fex

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