Ex-Nationalspieler Ralph Bergmann wird beim Supercup als Co-Kommentator arbeiten. Foto: DVV

24Oct2018

Ralph Bergmann über die Neuerungen beim comdirect Supercup

Ralph Bergmann ist ein bekanntes Gesicht im deutschen Volleyball. Als ehemaliger Profi weist er eine beachtliche Karriere auf: Über 15 Jahre Nationalmannschaft, sechs Europameisterschaften, eine Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele. Heute fungiert er als Trainer und nimmt beim diesjährigen comdirect Supercup die Rolle des Co-Kommentators ein. Als alter Hase des Geschäfts hat er im Vorfeld mit der VBL über die technischen Neuerungen gesprochen und erzählt, welche Vorteile sie bieten.

VBL: Mit der comdirect als Naming-Right-Partner vom Supercup werden Neuerungen präsentiert, die das Spiel für den Zuschauer und die Teams verändern. Eine ist das Challenge System in Zusammenarbeit mit dem schottischen Partner Hawk-Eye. Was hat es damit auf sich?
Ralph Bergmann: Jeder Trainer hat pro Satz zwei Mal die Möglichkeit, das Challenge System zu nutzen, um die Entscheidungen der Schieds- oder Linienrichter überprüfen zu lassen: bei der Frage, ob der Ball im Aus war (Seiten- und Grundlinie); bei möglichen Block-Berührungen; bei Netzfehlern; bei Antennen-Berührungen und bei möglichen Fußfehlern. Wenn der Trainer richtig liegt, behält er die Challenge; wenn nicht, ist sie aufgebraucht. Es dient der Wahrheitsfindung und ist meiner Einschätzung nach zu dem Themenbereich Fair Play zuzuordnen. Einfach, weil dadurch Lamentieren mit dem Schiedsgericht nicht mehr stattfindet und man als Konsequenz auch ehrlicher miteinander umgeht. Für mich ist es eine durchweg positive Geschichte.

Welche Unehrlichkeiten sind Ihnen im Laufe Ihrer Karriere begegnet?
Es ist so, dass bei Europapokal-Spielen der Linienrichter in der Regel aus dem Land der Heimmannschaft kommt. Da wusste man als Gastmannschaft, dass man drei oder vier Punkte mehr machen musste als sonst, um das Spiel zu gewinnen. Sobald die Spiele knapp wurden, ist irgendwas passiert: ein Netzfehler oder ein Ball war im Aus. Da konnte man früher wenig machen. Das ändert sich durch die Technik. Früher haben einige Spieler bewusst einen Weg gewählt, um ein Spiel zu gewinnen, der einfach nicht fair und sportlich war.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Ich habe in meiner Karriere mit einem Spieler zusammengespielt, der leider mit unfairen Mitteln ein Match gewonnen hat. In einem vom Schiedsrichter unbeobachteten Moment hat er das Netz nach unten gezogen. Der Schiedsrichter hat die Bewegung des Netzes wahrgenommen und hat entschieden, dass der Block das Netz berührt hat. Dadurch wurde ein Spiel im Europapokal entschieden. Das ginge heute nicht mehr. Man hätte die Möglichkeit eine „Challenge Netz“ zu fordern und dann würden die Schiedsrichter klar sehen, dass jemand ins Netz gegriffen hat.

Wie profitiert der Zuschauer von der Technik?
Beim Pokalfinale kam die Technik schon zum Einsatz – und das Feedback der Zuschauer war sehr positiv. Da wurde aber nur mit den Kamerabildern in Zeitlupe gearbeitet. Neu wird jetzt beim comdirect Supercup sein, dass im Bereich der Aus-Linien ein animierter Ballabdruck generiert wird, der ganz klar zeigt, ob der Ball die Linie noch berührt hat oder nicht. Und diese Animation wird auch in der Halle und im TV-Bild zu sehen sein. Für die Zuschauer ist das sicherlich ein Event, denn auch sie können in dem Moment der Überprüfung diskutieren, ob der Ball noch die Linie berührt hat oder nicht. Für die Trainer bietet das Challenge System zusätzlich die Möglichkeit, taktisch ins Spielgeschehen einzugreifen.

Das müssen Sie erklären.
Angenommen man hat als Trainer keine Auszeit mehr, der Ball ist beispielsweise auch relativ klar im Aus gewesen. Dann kann man dennoch die Challenge nutzen, um klären zu lassen, ob es nicht doch einen Touch gab. Es bietet für den Trainer die Möglichkeit, bis zur Klärung noch taktisch auf das Team einzuwirken bzw. es ist dann fast so wie eine kleine Auszeit, um den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen.

Neben dem Challenge System gibt es weitere Neuerungen wie die Geschwindigkeitsmessung. Wie funktioniert die?
Zwei hochauflösende Kameras über dem Spielfeldrand erfassen die Flugbahn des Balls, etwa beim Aufschlag. Die Geschwindigkeit wird live auf den Screens am Spielfeldrand in der Arena angezeigt.

Als dritte Innovation führt die comdirect mithilfe der Kinexon-Technologie die Bewegungsdatenanalyse beim Supercup ein. Wie funktioniert die Datenerhebung?
Die Spieler tragen ein Tank Top, in dem sich ein Chip auf Höhe der Schulterblätter befindet. Anhand der Größe und der Reichweite der Spieler wird dieser Chip kalibriert. Dadurch können innerhalb von Sekunden die Bewegungen der Spieler erfasst werden – zum Beispiel Abwehrgeschwindigkeit oder Sprung- und Abschlaghöhen. Interessant sind dann die Entwicklungen, etwa bei der Frage, ob die Sprunghöhe eines Spielers im Laufe eines Spiels nachlässt. Für Fans ist bestimmt auch interessant zu wissen, welcher Spieler am höchsten gesprungen ist. Diese Technik ist auch für das Training interessant, auch wenn ich bisher nur weiß, dass sie punktuell eingesetzt wird. Beim letzten Supercup war Vital Heynen jedenfalls sehr interessiert an den Daten, weil es Informationen sind, die es bisher noch nicht gab.

Welche der Neuerungen finden Sie persönlich am Interessantesten?
Das Challenge System hat sicher den größten Einfluss aufs Spiel und ich würde es begrüßen, wenn es flächendeckend eingesetzt würde. Die Neuerungen rund um die Datenerhebungen sind zwar auch für Spieler interessant, weil sie sich untereinander messen können und ihre Leistungssteigerungen in Zahlen dargestellt sehen. Aber in erster Linie sind die Daten für Trainer interessant. Es liefert Antworten auf die Fragen, wie sich etwa eine Änderung im Athletiktraining niederschlägt. Wir Profisportler sind dafür da, gute Leistungen zu bringen, um die Zuschauer zu begeistern. Und wenn die Datenanalyse dazu führt, die Leistung zu steigern, dann ist das eine gute Sache.

Von:  VBL

volleyball magazin - inhalt und probelesen
Wir auf Facebook
VM Probeheft
philippka shop
Leistungsreserve Athletiktraining
DVD • funktionelles Athletiktraining