Bom dia aus Rio!

VM-Chefredakteur Klaus Wegener schreibt auf www.volleyball.de in einem Blog über Erlebnisse bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.

Welcome to hell – Willkommen zwischen Himmel und Hölle

Fahnensammlung in Rio

Rio de Janeiro, schönste Stadt der Welt, sagen die einen. Für die anderen ist es der Vorhof zur Hölle, eine ungesunde Mischung aus Armut, Kriminalität und Gewalt. Ich bin gespannt, wie es am Ende tatsächlich gewesen sein wird. Noch nie habe ich vor einer Reise zu einem internationalen Wettkampf so viele gut gemeinte Ratschläge bekommen. Lass den Ehering zuhause, trage keine Uhr, und dann erst die vielen bösen Mücken. Das ist nur ein kleiner Auszug.

Seit zwei Tagen bin ich in Rio, eine Mücke habe ich noch nicht getroffen, aber viele herzliche sympathische Menschen. Gestern war ich mit Carl Goerdeler, Autor von Reiseführern, unterwegs, der seit mehr als 30 Jahren in Rio lebt: „Ihr seid hier nicht auf dem Mars gelandet, sondern Ihr bewegt Euch unter ganz normalen Menschen, die sehr offen und freundlich sind. Es gibt keinen Rassismus, man begrüßt jeden sehr herzlich. Wie überall auf der Welt gibt es auch hier Banditen, aber wenn Ihr ein paar Basics beachtet, werdet Ihr eine tolle Zeit erleben.”

Das Stadion an der Copacabana aus der Vogelperspektive

Carl ist eine Mischung aus den Kabarettisten Hans Dieter Hüsch und Volker Pispers mit einem feinen Humor. Für den 72-Jährigen sind die Spiele „eine Form von Sackhüpfen, für die sich der Carioca nicht interessiert.” Cariocas werden die Einwohner Rios genannt und die haben andere Probleme, sagt er. Die Stadt leidet noch an den Kosten der Fußball-WM vor zwei Jahren, während der parallel der Aufbau für die Sommerspiele lief und weitere Unsummen verschlungen hat. Die Stadt ist pleite, die vielen Baustellen rund um Olympia sind unübersehbar. Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal, Sicherheitskräfte haben in den Monaten vor Beginn der Spiele keine Gehälter bekommen. Unsere Vermieterin Isa eines wunderschönen Apartments in Santa Teresa („unglaublich kriminelle Gegend” – „der schönste Stadtteil”), ist Sozialarbeiterin, sie kümmert sich als Staatsbedienstete um jugendliche Kriminelle, denen sie einen Weg in ein normales Leben eröffnen soll. „Im letzten halben Jahr wurden ganz viele von der Straße geholt und in staatliche Einrichtungen verfrachtet, die jetzt aus allen Nähten platzen.” Rio soll schließlich ein friedvolles Bild abgeben. „Die Copacabana ist nichts anderes als eine Touristenattraktion”, sagt Carl, „und die muss positiv rüberkommen.” Es gilt, Postkarten-Klischees zu erfüllen.

Sdrjan Veckovic trainiert mit Karla Borger und Britta Büthe

Was das mit Volleyball und Beachvolleyball zu tun hat? So direkt nicht viel, aber die Gegensätze sind nun mal offenkundig. Das imposante Stadion des Beachturniers an eben jener Copacabana sorgt für Gänsehaut – von den vor kurzem am Strand angeschwemmten Teilen einer menschlichen Leiche ist zum Glück nichts mehr zu sehen.

In wenigen Stunden steigt die Eröffnungsfeier. Die deutschen Beacher werden sie nicht im Stadion erleben, wahrscheinlich sind einige im deutschen Haus oder in ihren Apartments in Copacabana-Nähe oder in den viel zu kleinen Zimmern im Olympischen Dorf. Sie können von tropfenden Wasserleitungen im Olympic Village erzählen und einer nicht unbedingt sportlergerechten Verpflegung in der riesigen Mensa. Jürgen Wagner, Trainer von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, erlebt seine vierten Spiele und nimmt Mängel mit Gelassenheit hin: „Ich habe gestern ein perfektes Minuten-Steak bekommen. Problem war nur, dass es schon Stunden vorher zubereitet worden ist.” Wagner teilt sich mit Srdjan Veckov ein Zimmer, der Serbe ist Coach von Karla Borger und Britta Büthe. „Ich genieße meine ersten Spiele, ich habe schon viele Landsleute getroffen, alles bestens”, sagt er.

Am Samstag geht es endlich mit den Wettkämpfen los. Tickets gibt es noch an den Vorverkaufsstellen. Beachvolleyball ist vom IOC als „High Demand” eingestuft worden, wer die Finals als Medienvertreter erleben will, braucht eine Zusatz-Akkreditierung. Es ist wie ein Ritterschlag für die Sportart, das Beach-Turnier soll das Herzstück der Spiele werden. „Der Brasilianer mag es gern laut”, sagt Carl. „Happy go lucky”, unbeschwert, sorglos, leichtlebig, so soll die Party verlaufen.

Tudo bem, alles klar,
Klaus Wegener

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