Groß-Luise und Klein-Luise als Kalendermotiv für den Oktober 2011. Foto: Horst Hiepe

23Nov2010

Luise Mauersberger (SV Sinsheim): Zwischen kleinen Babys und hohen Sprüngen

Im Rahmen der Imagekampagne „Echte Menschen. Echte Stars.” der DVL ist die für Sinsheim spielende Luise Mauersberger als einer der „Stars des Monats” ausgewählt worden. In einem Portrait über die 20-jährige Diagonalangreiferin erzählt sie, wie sie Verbindung aus Spitzensport und Praktikum in einem Mutter-Kind-Zentrum unter einen Hut bekommt. Informationen zur Kampagne gibt es unter www.echte-stars.de.

Am Anfang taten die Füße tierisch weh. Sechs Stunden täglich auf den Beinen, das verlangt selbst einer Leistungssportlerin wie Luise Mauersberger echtes Stehvermögen ab. Dabei sollte man meinen, dass die Außenangreiferin des SV Sinsheim Bewegung und körperlichen Einsatz gewohnt ist. Ist sie auch, seit zwei Jahren zählt die 1,86 Meter große Diagonalangreiferin zur Stammsechs des Frauen-Erstligisten, hat als Jugend-Nationalspielerin für Deutschland 2007 bei der WM in Mexiko gespielt, und ist mit gerade mal 20 Jahren noch längst nicht auf dem Zenit angekommen. Doch seit gut anderthalb Monaten bewegt sie sich auf ungewohntem Terrain. Luise Mauersberger ist Praktikantin im Mutter-Kind-Zentrum in der Sinsheimer Frauenklinik. Und das heißt: Wickeln, Temperaturen messen, den frischgebackenen jungen Müttern gut zureden, wenn sie der berühmte Babyblues ereilt oder der Besucherstrom von Familienangehörigen Überhand genommen hat. Sechs Stunden Non-stop-Programm, „eine Pause gibt es nicht”, sagt sie.
 
Für Luise Mauersberger ist das alles neu. Bis zum Sommer saß sie noch auf der Schulbank eines Heidelberger Gymnasiums und hat das Abitur gemacht. Und nun die Herausforderung in völlig neuer Umgebung, während der Spitzensport normal weiter läuft. Denn Sinsheims Trainer Rudi Sonnenbichler hat sein Team gerade in der Vorbereitung zu zwei täglichen Trainingseinheiten angehalten. Was für Luise Mauersberger hieß: Entweder eine Einheit vor der Arbeit und eine am Abend. Oder eine direkt nach der Arbeit und die zweite in den Abendstunden. Da muss der Tagesablauf gut organisiert sein. Aber das hat sie bereits im Alter von 15 lernen müssen. Geboren und aufgewachsen in Konstanz, als „Teenie alles ausprobiert”, wie sie sagt. Schwimmen, Leichtathletik, dazu hat sie noch unzählige Instrumente angefangen zu spielen. „Alles aber immer nur so halbherzig. Im Schwimmen war ich gut, aber da ist man ständig allein im Wasser unterwegs.” Bis eine Nachbarin der Familie sie zum Volleyball beim USC Konstanz schleppte. Ab da ging’s rasant aufwärts. Ein halbes Jahr später stand sie vor der Entscheidung, ins Volleyball-Internat an den Olympiastützpunkt in Heidelberg zu wechseln, wo das Projekt VCO Rhein-Neckar untergebracht war. „Ich war zwar ein Jahr jünger als die anderen Kaderspielerinnen, aber ich wollte es machen.” Mit 15 raus aus der Familie: „Ich war noch ein Kind, aber es war auch cool, das auszuprobieren.”
 
In dieser Zeit hat der Begriff Mannschaft für sie eine neue Qualität bekommen: „Das Leben im Internat hat uns irre zusammen geschweißt. Irgendwann ist das Heimweh weg, dann verlierst Du alle Hemmungen und wirst selbstbewusster und eigenständiger.” Nach zwei Jahren war das VCO-Projekt für sie beendet, mit 17 wechselte sie zum SV Sinsheim und zog allein in eine Wohnung. „Ich hätte auch nach Berlin gehen können, aber Sinsheim war die richtige Wahl. Wir leben hier eng beieinander, alle wohnen keine zwei Minuten voneinander entfernt.”
 
Sinsheim ist eine kreisfreie Stadt mit rund 35.000 Einwohnern. Wer auf die Website der Stadt klickt, wird begrüßt mit den Worten: „Willkommen in Sinsheim, Zentrum des Kraichgaus. Metropole des Spitzensportes Fußball und Volleyball.” Die Startseite der Vereins-Homepage lässt nur zwei Wege offen: Fußball oder Volleyball. Wobei der Schein trügt. Die Kicker des vor hundert Jahren gegründeten Sportvereins sind Tabellen-Sechster in der Kreisliga A. Fußball in Sinsheim steht nämlich eigentlich für die Bundesligatruppe von 1899 Hoffenheim aus dem rund vier Kilometer entfernten Nachbarort. Das Stadion der Fußballer ist allerdings in Sinsheim erbaut worden. Zwischen der RheinNeckarArena und der Messehalle 6, wo die Volleyballerinnen ihre Auftritte haben, liegen nur ein paar Minuten Fußweg. „Der Fußball schwebt über allem”, sagt Luise Mauersberger, „aber wir wollen nicht untergehen und Volleyball den Menschen näher bringen.” Das Aushängeschild Bundesligamannschaft ist oft im Einsatz. Bei einer „Tour durch die Region” fahren sie zu Vereinen im Umland, trainieren dort mit, spielen gegen tieferklassige Teams, suchen den Kontakt. „Wir haben eine große Nähe zu den Menschen.” Jüngst hatten sie 30 Mitglieder des Sinsheimer Wirtschaftsforums zu einem Kleinfeldturnier eingeladen. In den acht Teams mischten sich die Erstligaspielerinnen unter die Hobbysportler. „Die regionale Verankerung ist für uns wichtig. Starallüren hat keiner von uns, wir sind ganz normale Mädels.” Echte Menschen, ganz im Sinne der DVL-Kampagne.
 
Nur einmal hat sie sich wie ein kleiner Star gefühlt. Das war 2007 bei der Jugend-WM in Mexiko. Mauersberger war als Ersatz für eine verletzte Spielerin nachnominiert worden und hat erlebt, „wie wir für die zwanzig Meter vom Bus in die Spielhalle eine halbe Stunde gebraucht haben, weil die mexikanischen Fans Autogramme haben wollten. Dabei bin ich doch nur die kleine Luise aus dem Kraichgau.” Zuhause geht es beschaulicher zu, obwohl sie dort auch eine Zugnummer sind.
 
Sinsheim rühmt sich auch für sein Mutter-Kind-Zentrum, dessen Förderverein vor zwei Jahren den Kontakt zu den Volleyballerinnen gesucht hat. Die Einrichtung bietet Platz für rund zwanzig Mütter und deren Neugeborene. Chef der Gynäkologie und Geburtshilfe ist Dr. Thomas Schumacher, zu dessen Team drei Oberärzte, mehrere Assistenzärzte und 17 Schwestern zählen, davon drei als Vollzeitkräfte. Normalerweise ist immer Platz für neue kleine Erdenbürger, nur am zweiten Novemberwochenende wurde es richtig eng, als zwischen Freitag und Sonntag fünfzehn Babys im MKZ zur Welt kamen. Die Folgen der Fastnacht im Februar, wurde gemunkelt. Viel Arbeit für Schneider und sein Team, da war auch die Praktikantin mehr gefordert als üblich. Schneider lobt die Kooperation mit dem SV Sinsheim: „Wir wollten professionellere Wege gehen, so sind wir auf die Volleyballerinnen gestoßen, die von der sportlichen Leistung her mindestens so hoch einzustufen sind wie Fußballer. Nur werden sie nicht so gut bezahlt.”
 
Ute Franke, die sich um die PR-Arbeit des MKZ kümmert, hatte die Idee, durch die Verbindung von „hartem Leistungssport mit weichen Babies” neue Bevölkerungskreise anzusprechen: „Volleyballerinnen sollen nicht nur als starke und durchtrainierte Spitzensportlerinnen gezeigt werden, sondern in den Wechselwirkungen Sport und Fürsorge, eventuell auch im Einzelfall mit einem Schuss gemeinsamer intimer Frau-Kind-Erotik.” So liest es sich in einem Konzeptpaper Frankes, die sich an den Kinofilm „Kalender Girls” erinnerte: Elf Frauen im Alter von 45 bis 60 aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Yorkshire posieren nackt für den Jahreskalender des örtlichen Fraueninstituts, der bis dato nur mit Naturbildern gefüllt war, um Geld für medizinische Forschungen zu sammeln. In Sinsheim sollten die Spielerinnen mit Babies und Kleinkindern fotografiert werden, die im MKZ zur Welt gekommen sind.
Frankes Konzept kam an, der SV Sinsheim sagte zu, die Volksbank Kraichgau, wichtigster Partner des Bundesligateams, auch. Volksbank-Marketingleiter Gerald Barth sagt: „Die Volleyballerinnen haben jede Unterstützung verdient. Sie sind ein absolut sympathischer Werbebotschafter. Mit der Kalenderaktion haben wir bundesweit Aufmerksamkeit erzielt.”
 
Unter dem Motto „We are family” wurde der Kalender 2010 produziert. Für 2011 ließ der Fotograf Horst Hiepe Spielerinnen und auch Trainer im Sinsheimer Auto & Technik-Museum posieren. Luise Mauersberger war bei beiden Produktionen dabei. Ihr Kind im ersten Jahr war Diego und stellt sie auf dem Foto mit riesengroßen Augen in den Schatten. Luises zweites Kind hieß – Luise, und ist die Tochter eines MKZ-Oberarztes. Auf dem Kalenderblatt für den Monat Oktober im nächsten Jahr ließen sich Luise & Luise mit einem Oldsmobile fotografieren. Klein-Luise sitzt auf der Motorhaube, Groß-Luise hat sich an das stilvolle Vehikel angelehnt.
 
Für Mauersberger waren die Kalenderproduktionen der Erstkontakt zu dem Mutter-Kind-Zentrum. „Ich will seit der vierten Klasse Hebamme werden und bin ein absoluter Familienmensch.” Als Hebamme, auch nicht auf Praktikantinnen-Basis, darf sie nicht helfen, „das wäre zu privat, da gehöre ich nicht hin.” Aber ihr Entschluss, „beruflich was mit Kindern machen zu wollen”, wurde nachhaltig bekräftigt. Bei der Heidelberger Uni hat sie sich um einen Studienplatz für Sonderpädagogik beworben.
 
Doch aktuell steht das Praktikum auf dem Stundenplan und natürlich die neue Bundesligasaison. Es bleibt eine Gratwanderung, alles unter einen Hut zu kriegen, aber davor ist ihr nicht bange: „Wir Mädels vom Internat haben früh gelernt, uns zu organisieren.” Auch wenn es mitunter schwer fällt. Zwischen Arbeit und Training liegt oft nur eine dreiviertelstündige Pause und in der Zeit, muss sie vom MKZ zur Messehalle und sich umziehen: „Ich habe meinen Kleiderschrank momentan im Auto untergebracht.” Bei der Arbeit hat sie inzwischen ihre Laufschuhe an, damit die Füße nicht mehr so weh tun. Manche Freundinnen, mit denen sie das Abi gemacht hat, würden klagen, Studium und ein Nebenjob wie Babysitten seien so schwer auf die Reihe zu kriegen. Denen entgegnet sie: „So lange alles Spaß macht, ist das im Endeffekt keine Belastung.”

Von:  DVL

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