Die DVV-Männer stehen vor einer ungewissen Zukunft. Foto: CEV

04Nov2015

Zukunftssorgen: Nachwuchstrainer kritisieren den DVV per offenem Brief – Rückfall in die 90er Jahre

Gut zwei Wochen ist es her, dass die Männer-Nationalmannschaft bei der EM in Bulgarien mit dem Aus im Viertelfinale für eine Enttäuschung sorgte. „Verzockt” war die Headline der Berichterstattung in der November-Ausgabe des Volleyball Magazins. „Wir können viel mehr”, sagt Spielführer Jochen Schöps und auch, dass das Team „bei der EM nie richtig angekommen ist”. Bundestrainer Vital Heynen vermutete im Nachhinein, dass das Selbstvertrauen vor der EM einfach zu groß war: „Wir waren zu überzeugt.”

Vielleicht waren Spieler und Trainer während der Vorbereitung durch Themen wie die Nichtteilnahme an der Weltliga 2016 abgelenkt. Auch darüber berichtete das VM. In der Oktober-Ausgabe stand zu lesen: „Der DVV hatte seine Sponsoren zu einem Treffen mit der Nationalmannschaft eingeladen, das jedoch anders verlief als geplant. Unmittelbar zu Lehrgangsbeginn in Kienbaum war die Nachricht von der Nichtteilnahme an der Weltliga 2016 durchgesickert, wovon im Team niemand etwas gewusst hatte. Von 2010 bis 2014 hatte Deutschland an der Weltliga teilgenommen, in diesem Jahr wurde wegen der European Games in Baku darauf verzichtet, 2016 sind die DVV-Männer aus finanziellen Gründen außen vor. In einer ersten Reaktion beklagten sich die Spieler in einem Brief beim DVV-Vorstand.”

Nun erhalten sie Unterstützung durch die Gruppe der männlichen Bundesstützpunkt- und Landestrainer, die sich in einem offenen Brief – siehe unten – an den DVV-Präsidenten Thomas Krohne und seinen Vize Sport, Michael Evers, wenden. Bei der einmal jährlich stattfindenden Landestrainerkonferenz in Frankfurt hatte Heynen über die EM berichtet und dabei seine Sorge um die Zukunft des Nationalteams zum Ausdruck gebracht. „Dabei ging es sehr emotional zu”, sagt Daniel Herrmann, der das Treffen als Leistungssportwart der Deutschen Volleyball-Jugend (DVJ) organisiert hatte. „Alle haben gemerkt, wie nahe ihm das geht. Hinterher gab es viel Applaus für sein Engagement und seine Arbeit.” Heynens Worte animierten die Sitzungsteilnehmer, ihre Meinung mit einem offenen Brief zu formulieren. Bislang gab es jedoch noch keine Rückmeldung.

Das Volleyball Magazin wird sich dem Thema in seiner nächsten Ausgabe (Erscheinungstermin: 27. November) widmen. Dazu interessieren uns natürlich auch die Meinungen aus der Szene, die bitte an die Redaktion gemailt werden sollen. Die Adresse: vm(at)philippka.de.

Hier der offene Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Krohne,
sehr geehrter Herr Evers,

mit Fassungslosigkeit und größter Enttäuschung haben wir, die Gruppe der männlichen Bundesstützpunkt- und Landestrainer, von der Entscheidung hinsichtlich der Weltliga-Teilnahme der Herren-Nationalmannschaft im kommenden Jahr erfahren. Aus unserer Sicht wird damit die Zukunft unserer Herren-Nationalmannschaft nicht nur gefährdet, sondern sabotiert und ein Rückfall auf das Niveau der 1990er Jahre bewusst in Kauf genommen.

Dass sowohl die Athleten als auch der Trainer keine Perspektive mehr in dieser Mannschaft ohne eine Weltligateilnahme sehen, muss den Entscheidungsträgern klar gewesen sein und ist für uns nachzuvollziehen. Unerträglich ist dagegen, dass zudem allem Anschein nach der Trainer und die Führungspersönlichkeiten der Mannschaft nicht einbezogen und frühzeitig informiert wurden. Dass die für einen Neuaufbau notwendige Anschlussgruppe von Spielern der Jahrgänge 1991-1996 über Jahre durch den DVV vernachlässigt wurde, wird sich nun rächen, da diese Spieler die voraussichtlich entstehenden Lücken nicht zum jetzigen Zeitpunkt werden füllen können.

Die im aktuellen Entwurf des Strukturplans 2017-2020 genannten Leistungsziele/-perspektiven für die Olympischen Spiele 2020 und 2024 empfinden wir vor diesem Hintergrund als unseriös. Sämtliche Überlegungen, die wir uns in den verschiedenen Gremien auf DVV-Ebene, an den Bundesstützpunkten und in den Landesverbänden für den Nachwuchs – und damit unsere gemeinsame Zukunft im Herren-Volleyball – machen, erscheinen nach dieser Entscheidung als sinnlos. Unser Engagement für diesen Sport und die Arbeit der vergangenen Jahre wird durch solche Entscheidungen mit Füßen getreten.

Dass es dem DVV nicht möglich ist, die notwendigen finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, um die notwendigen Wettbewerbe für die aufgestellten Leistungsziele in den kommenden Jahren erreichen zu können, ist für uns nicht nachvollziehbar und stellt für uns einen Offenbarungseid dar.

Um die Zukunft des Herren-Volleyballs in Deutschland zu gewährleisten, benötigen wir eine starke Nationalmannschaft. Wir brauchen Vorbilder für die Nachwuchsspieler und die Motivation, eine leistungssportliche Karriere anzustreben. Mit Vital Heynen hat der DVV einen Trainer gewonnen, der seit 2012 herausragend mit der Herren-Nationalmannschaft gearbeitet hat und international optimal vernetzt ist. Darüber hinaus hat er durch seine Präsenz im Nachwuchsbereich, an den Bundesstützpunkten, bei den Bundespokalen eine enorme Zugkraft entwickelt, deren Wert nicht hoch genug einzustufen ist.

Wir erwarten, dass der DVV und die DVS ihrer Verantwortung gerecht werden und die Rahmenbedingungen schaffen, um die selbst gesetzten Leistungsziele zu erreichen. Dazu zählen aus unserer Sicht

a) die Sicherstellung der finanziellen Voraussetzungen für die Teilnahme an den notwendigen Wettbewerben und

b) Vital Heynen und die Leistungsträger der Mannschaft zu einer weiteren Mitarbeit in der Nationalmannschaft nach den Olympischen Spielen zu überzeugen.

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